Einschlägigkeit ist entscheidend: Abmahnung ist nicht gleich Abmahnung
Der Arbeitgeber dieses Falls meinte wohl, er wäre durch den Ausspruch mehrerer Abmahnungen auf der sicheren Seite, als er einem Mitarbeiter das langjährige Arbeitsverhältnis aufkündigte. War er aber nicht, wie ihm das Arbeitsgericht Lübeck (ArbG) attestierte. Denn auch hier hat ein Arbeitgeber in Sachen Abmahnungen wieder einmal eine wichtige Voraussetzung für außerordentlich fristlose Kündigungen ignoriert.
Ein Kirchenmusiker war bei einer Kirchengemeinde seit mehr als 25 Jahren beschäftigt. Wegen seiner langjährigen Beschäftigung und dem daraus resultierenden Sonderkündigungsschutz konnte dem Mann also nicht mehr ordentlich gekündigt werden. Er erhielt im Jahr 2022 bereits drei Abmahnungen. Im Dezember 2022 sagte der Kirchenmusiker gegenüber dem Gemeindebüro verbindlich die musikalische Begleitung einer vier Tage später stattfindenden Trauerfeier zu. Noch am selben Tag sprach der zuständige Pastor die für die Trauerfeier vorgesehene Liederauswahl auf den Anrufbeantworter des Musikers. Dieser erschien aber nicht zur Trauerfeier und war auch telefonisch nicht erreichbar. Einer Bitte des Pastors um Rückruf kam er auch nicht nach. Drei Tage später entschuldigte er sich per E-Mail und begründete sein Fehlen mit einem seit Tagen anhaltenden Dauereinsatz für ein Kindermusical. Die Kirchengemeinde ging von einem vorsätzlichen Verhalten aus und kündigte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos. Dagegen klagte der Kirchenmusiker.
Hinweis: Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Es spricht aber vieles dafür, dass sie richtig ist. Vor den meisten verhaltensbedingten Kündigungen ist zunächst eine Abmahnung erforderlich. Doch nicht jede Abmahnung taugt als Vorbereitung für eine Kündigung.
ArbG Lübeck, Urt. v. 15.06.2023 - 6 Ca 1410/22