Digitale Nachlassverwaltung: Umfassendes Nutzungsrecht eines Social Media Accounts durch den Erben

03.03.2025

Das Oberlandesgericht Oldenburg hat mit Urteil vom 30. Dezember 2024 entschieden, dass Erben nicht nur ein passiver Zugriff auf Social-Media-Konten Verstorbener zusteht, sondern auch das Recht, diese aktiv zu nutzen.

Erblasser war ein durch eine Casting Show bekannt gewordener Musiker. Die Witwe, die Alleinerbin des Verstorbenen, hatte den Account des Erblassers nach seinem Tod weitergenutzt, bis Meta den Account 2022 in den sogenannten „Gedenkzustand“ versetzt hat, wodurch der Login und die aktive Nutzung unmöglich wurden. 

Das OLG Oldenburg entschied, dass die Erbin gemäß §1922 BGB im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge in das Vertragsverhältnis mit der Plattformbetreiberin umfassend eingetreten ist und somit auch das Recht zur aktiven Nutzung des Accounts hat. 

Grundsätzliche Vererblichkeit

Der Rechtsübergang sei nicht von einem besonderen Interesse des Erben am Zugriff auf das Nutzerkonto abhängig. Der Vererblichkeit des Nutzungsverhältnisses stünden auch weder vertragliche Bestimmungen noch das Fernmeldegeheimnis, noch datenschutzrechtliche Regelungen oder das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kommunikationspartner des Erblassers entgegen. 

Auch ein Gegensatz zum postmortalen Persönlichkeitsrecht liege nicht vor, weil der Zugang zum Account von der Ehefrau des Erblassers und dessen Kindern begehrt werde. 

Die Erbenstellung der Klägerin habe zur Folge, dass sie in die vertragliche Rechtsstellung ihres verstorbenen Mannes mit sämtlichen Rechten und Pflichten eintritt. Dies umfasse im Ausgangspunkt den Anspruch auf passive (lesende) wie aktive (schreibende) Nutzung des Accounts. 

Keine höchstpersönliche Natur der Leistungen von Meta; Rein technische Leistungen

Eine Vererbbarkeit des Rechts auf aktive Nutzung eines Accounts sei auch nicht aufgrund des Wesens des Vertrages ausgeschlossen. Die Pflichten der Vertragsparteien seien nicht höchstpersönlicher Natur. 

Das OLG führte aus, die Leistungen von Meta seien nicht höchstpersönlicher Natur. Der Inhalt der Leistungen hätte keinen höchstpersönlichen Bezug zur Person des ursprünglichen Kontoinhabers. 

Inhalt der Leistung von Meta sei es, die Kommunikationsplattform zur Verfügung zu stellen und entsprechend dem Auftrag des Nutzers Inhalte zu veröffentlichen oder Nachrichten an ein anderes Benutzerkonto zu übermitteln sowie die übermittelten Nachrichten beziehungsweise die mit diesem Konto geteilten Inhalte zugänglich zu machen. Insoweit handele es sich um rein technische Leistungen, die nicht personenbezogen seien. 

Diese könnten – in Abgrenzung etwa zu einem ärztlichen Behandlungsvertrag – unverändert auch gegenüber den Erben erbracht werden. 

Keine höchstpersönliche Natur der Verpflichtungen des Kontoinhabers

Gleiches gelte für die Pflichten des Kontoinhabers. Aus den Nutzungsbedingungen von Meta ergebe sich, dass eine Vertretung bei der Eröffnung von Konten unter der Voraussetzung einer entsprechenden Einwilligung des zukünftigen Kontoinhabers zugelassen würde. 

Dies spreche gegen eine höchstpersönliche Natur der Pflichten des Kontoinhabers. 

Der Umstand, dass nur der jeweilige Kontoinhaber aus dem Nutzungsvertrag mit der Beklagten berechtigt sei, Inhalte zu „posten“, unterscheide die Rechtsbeziehung der Erbin und der Kinder nicht von anderen Schuldverhältnissen, aus denen regelmäßig ebenfalls nur die jeweiligen Parteien berechtigt und verpflichtet würden. 

Der Inhalt des Rechts sei nicht in einem solchen Maß auf die Person des Berechtigten oder Verpflichteten zugeschnitten, dass bei einem Subjektwechsel die Leistung in ihrem Wesen verändert würde. 

Dies sei hier bereits deshalb nicht der Fall, weil es an einer besonderen Vertrauensbeziehung zur Plattformbetreiberin fehle. Weder vertraue der Inhaber des Accounts der Plattformbetreiberin größere Vermögenswerte an, noch sei die Vertragsbeziehung durch eine besondere Vertrauens- oder gar Kreditwürdigkeit des Kontoinhabers geprägt. 

Dem stehe gegenüber, dass ein Social-Media-Account im Einzelfall aufgrund der Anzahl der Follower und der Bekanntheit des Erblassers als Kommunikations- und Werbeplattform einen erheblichen wirtschaftlichen Wert haben könne. Er eröffne dem jeweiligen Erben eine Möglichkeit, im Austausch mit den Followern des Erblassers zu bleiben und diesen Kontakt insbesondere wirtschaftlich zu nutzen. Angesichts dessen habe die Möglichkeit, einen ererbten Account aktiv zu nutzen, einen messbaren Vermögenswert. 

Keine entgegenstehenden Datenschutzinteressen Dritter

Eine Beschränkung der ererbten Position der Klägerin rechtfertige sich auch nicht durch entgegenstehende Datenschutzinteressen Dritter. 

Die Gefahr, dass für die Kommunikationspartner möglicherweise nicht erkennbar sei, dass es einen Wechsel in der Person des Kontoinhabers gegeben habe, bestehe nicht.  Die Plattformbetreiberin habe sich in den Nutzungsbedingungen das Recht vorbehalten, Benutzernamen oder Kennung eines Accounts zu ändern, wenn sich ein Nutzer als jemand anderes ausgibt oder eine Verwechselungsgefahr besteht. Von dieser Möglichkeit könne die Plattformbetreiberin gegebenenfalls Gebrauch machen. Einen Ausschluss der aktiven Nutzung rechtfertige sich dadurch jedoch nicht. 

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