Anforderungen an den Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament

28.11.2024

Der Beschluss des OLG Celle vom 5. Juni 2024 (Az.: 6 W 56/24) befasst sich mit den Anforderungen an den Widerruf einer wechselbezüglichen Verfügung innerhalb eines gemeinschaftlichen Testaments. 

Die Ehegatten errichteten im Jahr 2006 ein gemeinschaftliches Testament. Die Ehefrau setzte ihren Ehemann zum Alleinerben ein. Im Jahr 2022 errichtete sie dann ein einseitiges notarielles Testament, in welchem sie eine andere Person zu ihrem Alleinerben einsetzte. Zugleich widerrief die Ehefrau die Erbeinsetzung ihres Ehemannes aus dem Jahr 2006 und ließ den Widerruf notariell beurkunden. 

Die beurkundende Notarin erteilte an die Gerichtsvollzieherverteilungsstelle den Auftrag, dem Ehemann eine beglaubigte Abschrift des Widerrufs zuzustellen. Der Gerichtsvollzieher zeigte dem Ehemann zwar die beglaubigte Abschrift des Widerrufs dem Auftrag der Notarin entsprechend vor, überließ sie ihm aber nicht, sondern sandte sie mit Zustellungsvermerk wieder zurück an die Notarin. 

Nachdem die Ehefrau verstorben war, hat die Notarin am 20. Februar 2024 eine Zustellung der notariellen Ausfertigung der Widerrufserklärung aus dem Jahr 2022 an den Ehemann veranlasst. Zu diesem Zeitpunkt war die Ehefrau bereits länger als zwei Monate verstorben und der ursprünglich zum Alleinerben eingesetzte Ehemann hatte die Erbschaft bereits angenommen. 

Der Ehemann hat die Wirksamkeit des Widerrufs angezweifelt, weil ihm der Widerruf nur als beglaubigte Abschrift, jedoch nicht in der notwendigen Form als Ausfertigung zugstellt worden war. 

Das OLG Celle entschied, dass für die Wirksamkeit einer empfangsbedürftigen notariell beurkundeten Willenserklärung der Zugang einer Ausfertigung der Notarurkunde erforderlich ist. Dies gilt auch für den Widerruf einer wechselbezüglichen Verfügung in einem gemeinschaftlichen Testament. Das bloße Vorzeigen der in der Ausfertigung verkörperten Willenserklärung durch den Gerichtsvollzieher bewirke nicht dessen Zugang. §132 BGB, wonach eine Willenserklärung auch dann als zugegangen gilt, wenn sie durch Vermittlung eines Gerichtsvollziehers zugestellt worden ist, ist auf den hier gegenständlichen Fall nicht anwendbar. 

Die nach dem Tode der Erblasserin von der Notarin veranlasste Zustellung der Ausfertigung der notariell beurkundeten Widerrufserklärung kann nach dem OLG Celle die Wirksamkeit des Widerrufs der wechselbezüglichen Verfügung nicht mehr bewirken. Denn die Zustellung ist hier zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem der Ehegatte nicht mehr damit zu rechnen brauchte, dass das gemeinschaftliche Testament noch wirksam widerrufen werden würde. Die Zustellung erfolgte mehr als zwei Monate nach dem Tod der Erblasserin. Bereits im Januar hatte der Ehemann einen Erbschaftsantrag gestellt und die Erbschaft angenommen und musste zu diesem Zeitpunkt nicht mehr damit rechnen, dass das gemeinschaftliche Testament aufgrund eines erst danach gefassten Tätigkeitsentschlusses der Notarin vom 20. Februar 2024 noch wirksam widerrufen werden würde. 

Die Vorschrift des §130 Abs.2 BGB, wonach es auf die Wirksamkeit der Willenserklärung ohne Einfluss ist, wenn der Erklärende nach der Abgabe stirbt oder geschäftsunfähig ist, gehe von dem Regelfall aus, dass sich die Willenserklärung beim Tod des Erklärenden bereits auf dem Weg zum Adressaten befindet und die Zustellung alsbald nachfolgt. Voraussetzung ist demnach ein zeitlich enger Zusammenhang zwischen der Abgabe der Willenserklärung und dem darauffolgenden Tod des Erklärenden. Die Vorschrift dient dem Schutz des Erklärungsempfängers und beruht auf dem Gedanken, dass der Erklärungsempfänger geschützt werden soll, wenn er im Vertrauen auf den Bestand der ihm zugegangenen Willenserklärung Vorkehrungen trifft. 

Dieser Gedanke des Schutzzwecks entfällt, wenn sich die Willenserklärung beim Tod des Erklärenden nicht auf dem Weg zum Erklärungsempfänger befunden hat, weil in diesem Zeitpunkt niemand an eine Zustellung der Erklärung dachte und kein Tätigkeitsentschluss gefasst wurde. Der Ehemann hatte bereits im Januar einen Erbscheinsantrag gestellt und die Erbschaft angenommen. Er hat damit bereits Vorkehrungen getroffen, um seine Erbenstellung zu dokumentieren. Er musste zu diesem Zeitpunkt nicht mehr damit rechnen, dass das gemeinschaftliche Testament aufgrund eines erst danach gefassten Tätigkeitsentschlusses der Notarin vom 20. Februar 24 noch wirksam widerrufen werden würde.

Haftungsausschluss

Der Inhalt dieses Blogbeitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Vor dem Hintergrund der Komplexität und des ständigen Wandels der Rechtsmaterie schließen wir die Haftung und Gewähr für den Inhalt dieses Blogbeitrages aus. Dieser Blogbeitrag ersetzt nicht die individuelle persönliche Beratung durch einen Rechtsanwalt und/oder Steuerberater.

Kontaktformular für unverbindliche Mandatsanfragen

Ich habe die Datenschutzinformationen zur Kenntnis genommen. Ich stimme zu, dass meine Angaben ausschließlich für die Kontaktaufnahme und für Rückfragen gespeichert werden.

Schreiben Sie unsTermin vereinbaren040 / 37 68 04 0Zum Seitenanfang