Pflichtteilsstrafklausel: Wann liegt ein „ernsthaftes Verlangen“ des Pflichtteils vor?
Pflichtteilsstrafklausel: Wann liegt ein „ernsthaftes Verlangen“ des Pflichtteils vor?
Mit Beschluss vom 13. Februar 2025 (Az. 10 W 11/25) hat das OLG Braunschweig klargestellt, wann eine Pflichtteilsstrafklausel in einem gemeinschaftlichen Testament greift – und wann nicht. Im Zentrum stand die Frage, ob eine freiwillige Zahlung an ein Kind nach dem Tod des erstverstorbenen Elternteils als Pflichtteilsverlangen zu werten ist.
Der Fall: Geld für ein Haus – aber kein Pflichtteil
Ein Ehepaar setzte sich im Jahr 1971 in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig als Alleinerben ein - die Kinder sollten erst nach dem Tod beider Elternteile erben. Dabei handelte es sich um ein klassisches Berliner Testament.
Zudem enthielt das Testament eine sogenannte Pflichtteilsstrafklausel: Wer nach dem Tod des ersten Elternteils seinen Pflichtteil fordert sollte beim zweiten Erbfall leer ausgehen.
Nach dem Tod des Vaters erhielt die Tochter 110.000,00 EUR von der Mutter für den Hausbau. Jahre später starb auch die Mutter. Der Sohn beantragte einen Alleinerbschein für sich und argumentierte mit Verweis auf die Pflichtteilsstrafklausel, die Schwester habe mit der Zahlung ihren Pflichtteil gefordert und erhalten. Die Strafklausel sei daher ausgelöst. Die Schwester widersprach und argumentierte, es habe sich damals um ein Geschenk gehandelt, ein ausdrückliches Pflichtteilsverlangen habe es nie gegeben.
Die Entscheidung des Gerichts
Ohne „Pflichtteilswillen“ keine Strafe
Das OLG Braunschweig entschied: Die Tochter bekommt ihren Erbteil. Die Pflichtteilsstrafklausel greift nicht.
Die Schwester habe den Pflichtteil nicht juristisch geltend gemacht – sie hat lediglich eine freiwillige Zuwendung der Mutter angenommen. Dies sei kein Pflichtteilsverlangen.
Die Pflichtteilsstrafklausel greift nur, wenn das Kind den Pflichtteil ernsthaft und ausdrücklich aktiv fordert und dabei bewusst in Kenntnis der Verwirkungsklausel handelt. Dies sei hier nicht der Fall gewesen. In der Annahme einer freiwilligen Zuwendung als Unterstützung für den Hausbau liege kein ernsthaftes Verlangen des Pflichtteils. Die Schwester habe nicht einmal aktiv in dem Bewusstsein gehandelt, dass sie dadurch die Pflichtteilsstrafklausel auslösen könnte.
Das Gericht sagt demnach: Ohne „Pflichtteilswillen“ keine Strafe.
Keine unerwartete finanzielle Bedrängnis durch die Zahlung
– Schutzzweck der Pflichtteilsstrafklausel nicht tangiert
Zudem sei auch der Schutzzweck der Pflichtteilsstrafklausel nicht tangiert gewesen, weil die Mutter durch die Zahlung nicht in finanzielle Bedrängnis geraten sei und nicht gezwungen war, liquide Mittel für die Befriedigung eines ungeplant geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs bereitzustellen. Es habe sich vielmehr um eine freiwillige Zuwendung gehandelt.