Testierfähigkeit trotz Alkoholsucht und bipolarer Störung
Das OLG Brandenburg hat sich mit der Frage der Testierfähigkeit trotz einer bestehenden Krankheit befasst.
Das Gericht entschied, dass die Alkoholsucht des Erblassers allein keine krankhafte Störung der Geistestätigkeit darstellt, die seine Testierfähigkeit ausschließt, und dass die Entscheidung über die Testierfähigkeit sich auf den Zeitraum der Testamentserrichtung konzentrieren muss.
Der Erblasser litt unter anderem unter manisch depressiven bis hin zu einer bipolaren Störung, betrieb Alkoholmissbrauch und befand sich seit vielen Jahren in fachärztlicher Behandlung, u.a. einem Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie klinische Psychologie.
Der Erblasser verstarb durch Selbstmord. In seinem Abschiedsbrief schrieb er, dass er nicht verrückt ist und die Entscheidung über lange Zeit geplant hat. In einem anderen Abschiedsbrief, begründete er seinen Entschluss ausführlich mit Mobbing, Krankheiten, Arthrose, Existenzängsten, Atemschwierigkeiten etc. Er führte aus, dass ihm jeglicher Enthusiasmus und Lebenswille fehlen. In dem Brief schrieb er zudem, dass er vorher noch alle Erbschaftsangelegenheiten regeln wollte und musste.
In den Entscheidungsgründen führte das Gericht aus, dass gemäß §2229 Abs.4 BGB Testierunfähigkeit vorliegt, wenn der Testierende aufgrund von Geisteskrankheit oder – schwäche nicht in der Lage ist, die Bedeutung seiner Willenserklärung zu erkennen und danach zu handeln. Die Alkoholsucht für sich allein begründe noch keine krankhafte Störung der Geistestätigkeit, die zum Ausschluss der freien Willensbestimmung führen könnte.
Es lagen keine belastbaren Anzeichen dafür vor, dass der Erblasser bei Errichtung des Testaments derart alkoholisiert war, dass er vorübergehend unter einer seine Testierfähigkeit ausschließenden Bewusstseinsstörung gelitten hat.
Der Umstand, dass der Erblasser in seinem Abschiedsbrief seinen täglichen Alkoholkonsum mit 10 bis 12 Flaschen Bier angegeben habe, lasse keinen Schluss auf eine Volltrunkenheit bei Testamentsabfassung zu, da weder die üblichen noch die Trinkzeiten des Erblassers an dem Tag bekannt bzw. ermittelbar sind und der Erblasser zudem alkoholgewöhnt war. Zudem wiesen weder der Inhalt noch das Schriftbild des Testaments auf irgendeine Beeinträchtigung der geistigen Fähigkeiten des Erblassers hin. Der Text war flüssig und mit fester Handschrift inhaltlich stringent abgefasst.
Auch die manisch-depressive Erkrankung des Erblassers beeinträchtigte seine Testierfähigkeit nicht, wie das Sachverständigengutachten und die Einschätzung des behandelnden Psychotherapeuten zeigten. Der Erblasser hatte die Erbschaftsangelegenheiten geplant und war sich der Tragweite seiner Handlungen bewusst. Die Sachverständige führte aus, dass der Erblasser die gesamte Erbschaftsangelegenheit akribisch geplant habe. Gerade, weil er in seinem Abschiedsbrief geschrieben habe, dass er vorher noch alle Erbschaftsangelegenheiten regeln wollte, zeige ein planvolles und strukturiertes Vorgehen. Der Erblasser war sich der Tragweite seiner Handlungen bewusst. Hinweise auf ein wahnhaftes Verhalten hat es nicht gegeben.
OLG Brandenburg (3. Zivilsenat), Beschluss vom 19.03.2024 – 3 W 28/24