Thesaurieren oder ausschütten? – Wenn der Jahresgewinn zum Streitfall wird

Die Verwendung des Jahresgewinns ist in vielen Gesellschaften ein häufiger Auslöser für Konflikte. Die Frage „Thesaurieren oder ausschütten?“ betrifft sowohl die Liquidität der Gesellschaft als auch die Renditeerwartung der Gesellschafter. Typisch ist ein Spannungsverhältnis zwischen geschäftsführenden Gesellschaftern, die eine Thesaurierung bevorzugen und rein kapitalistisch beteiligten Gesellschaftern, die auf eine Ausschüttung drängen.

 

Typische Konstellation

  • Mehrheit gegen Minderheit:
    Die Mehrheit will den Gewinn vollständig oder überwiegend im Unternehmen belassen, während die Minderheit auf eine Ausschüttung drängt. 

  • Liquiditätsbedarf vs. Renditeerwartung:
    Geschäftsführende Gesellschafter argumentieren oftmals mit dem Finanzbedarf des Unternehmens, während nicht operativ tätige Gesellschafter den Wert ihrer Beteiligung schwinden sehen, wenn Ausschüttungen dauerhaft ausbleiben.

  • Fehlende Regelung im Gesellschaftsvertrag:
    Fehlt eine detaillierte Regelung zur Gewinnverwendung innerhalb des Gesellschaftsvertrags, steigt das Risiko von Auseinandersetzungen.

 

Rechtliche Einordnung

In der GmbH entscheidet die Gesellschafterversammlung durch Beschluss über die Gewinnverwendung (§ 29 GmbHG). Grundsätzlich steht den Gesellschaftern der Jahresüberschuss zu, ein konkreter Auszahlungsanspruch entsteht aber erst mit dem Beschluss. Wird keine Ausschüttung beschlossen, verbleibt der Gewinn in der Gesellschaft.

Die Gesellschafter haben hierbei einen weiten Gestaltungsspielraum. Beschlüsse über die vollständige Thesaurierung sind zulässig, solange sie sachlich begründet sind (z. B. Liquiditätsbedarf, Stärkung der Eigenkapitalbasis). Unzulässig sind Beschlüsse nur, wenn sie willkürlich erscheinen oder ausschließlich aus sachfremden Erwägungen gefasst werden und damit gegen die Treuepflicht verstoßen. Eine vollständige Thesaurierung kann dann gegen die Treuepflicht verstoßen, wenn sie bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung nicht notwendig ist, um die Lebens- und Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft für einen überschaubaren Zeitraum zu sichern oder die Thesaurierung zu einer „Aushungerung“ der Minderheitsgesellschafter führt.

 

Handlungsempfehlung für Gesellschafter

  1. Gesellschaftsvertrag anpassen:
    Klare Regelungen zur Gewinnverwendung (beispielsweise Staffelungen, Mindestdividenden oder Bildung von Rücklagen) können Konflikten vorbeugen.

  2.  Mehrheitsverhältnisse berücksichtigen:
    Minderheitsgesellschafter sollten frühzeitig ihre Argumente darlegen und ggf. rechtliche Mittel (beispielsweise Beschlussmängelklage) prüfen.

  3. Treuepflicht beachten:
    Weder eine vollständige Ausschüttung noch eine vollständige Thesaurierung dürfen die Gesellschaft gefährden oder einzelne Gesellschafter unangemessen benachteiligen.

  4. Kommunikation:
    Eine transparente Diskussion über Investitionspläne und Ausschüttungspolitik helfen, Misstrauen zu vermeiden.

 

Häufig gestellte Fragen

Kann die Minderheit eine Ausschüttung erzwingen?
Die Gewinnverwendung wird durch Mehrheitsbeschluss bestimmt. Ein Anspruch auf Vollausschüttung besteht nicht. Nur wenn eine dauerhafte Thesaurierung ohne sachlichen Grund erfolgt, kann ein Beschluss angefochten werden.

Darf die Mehrheit den Gewinn vollständig einbehalten?
Ja, wenn hierfür sachliche Gründe vorliegen (Liquiditätsbedarf, Eigenkapitalausstattung). Eine vollständige Thesaurierung ist rechtlich zulässig und wird nur dann für unwirksam erklärt, wenn sie treuwidrig ist. 

 

Wie kann man Streit um die Gewinnverwendung vermeiden?
Ein detaillierter Gesellschaftsvertrag mit klaren Regelungen zu Ausschüttungen kann Konflikte vermeiden. Auch alternative Konfliktlösungsmechanismen können helfen, Interessen auszugleichen. 

 

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