Kapitalerhöhung im Gesellschaftsrecht
Die Kapitalerhöhung ist im Gesellschaftsrecht eine zentrale Maßnahme zur Stärkung der Eigenkapitalbasis von Kapitalgesellschaften.
Unter diesem Begriff versteht man die Erhöhung des Stamm- oder Grundkapitals durch Einlagen der Gesellschafter beziehungsweise Aktionäre oder durch Umwandlung bestehender Rücklagen. Die Gründe für eine Kapitalerhöhung sind vielfältig:
- Unternehmen beschaffen auf diesem Weg neues Eigenkapital,
- stärken ihre Bonität und
- finanzieren Wachstums- und Expansionspläne.
Auch in der Krise können frische Mittel helfen, die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung abzuwenden. Sowohl Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) als auch Aktiengesellschaften (AG) nutzen die Kapitalerhöhung als strategisches Instrument, um flexibel auf Marktchancen und Finanzierungserfordernisse zu reagieren.
Gründe für eine Kapitalerhöhung
Eine Kapitalerhöhung erfolgt meist aus wirtschaftlichen oder strategischen Motiven. Typische Anlässe sind:
- Expansion und Markterschließung: Unternehmen erhöhen ihr Kapital, um den Vertrieb auszubauen, neue Märkte zu erschließen oder andere Unternehmen zu übernehmen.
- Finanzielle Stabilisierung: In Krisensituationen dient die Kapitalerhöhung dazu, die Vermögens- und Liquiditätslage zu verbessern und die Eigenkapitalquote zu stärken.
- Verstärkung der Haftungsbasis: Durch ein höheres Stamm- oder Grundkapital verbessert sich der Gläubigerschutz und das Vertrauen von Geschäftspartnern.
- Einbindung neuer Investoren: Start-ups und wachsende Unternehmen nutzen Kapitalerhöhungen, um externe Investoren zu gewinnen, ohne die Gesellschaftsstruktur aufzulösen.
Rechtsgrundlagen und Formen der Kapitalerhöhung
Die gesetzlichen Grundlagen für Kapitalerhöhungen finden sich vor allem in den §§ 55 ff. GmbHG für die GmbH und in den §§ 182 ff. AktG für Aktiengesellschaften. Daraus ergeben sich verschiedene Formen:
Kapitalerhöhung gegen Einlage
Bei der „effektiven“ Kapitalerhöhung fließen neue Mittel von außen in die Gesellschaft. Je nach Art der Einlage unterscheidet man:
- Barkapitalerhöhung: Der Normalfall der Kapitalerhöhung; Gesellschafter oder
Investoren zahlen zusätzliche Geldbeträge ein. Jeder Gesellschafter verfügt grundsätzlich über ein Bezugsrecht, um seine Beteiligungsquote zu halten. - Sachkapitalerhöhung: Das Stamm- oder Grundkapital wird durch Einbringung von Vermögensgegenständen wie Immobilien, Maschinen, Patenten oder ganzen Unternehmen erhöht. Die Einbringung erfordert einen notariell beurkundeten Kapitalerhöhungsbeschluss und eine Übernahmevereinbarung. Die Werthaltigkeit der Sacheinlage muss
nachgewiesen werden, sonst droht die Verweigerung der Handelsregistereintragung.
Im Rahmen einer Kapitalerhöhung gegen Einlage kann ein sogenanntes „Agio“ (Aufgeld) festgelegt werden; neben dem Nennbetrag der neuen Geschäftsanteile ist in diesem Fall ein Aufgeld zu zahlen.
Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln
Bei der nominellen Kapitalerhöhung wird das Kapital aus freien Rücklagen der Gesellschaft aufgebracht. Die Rücklagen werden in Stammkapital umgewandelt, ohne dass neues Geld zufließt. Diese Form dient vor allem bilanziellen Zwecken und erfordert einen Gesellschafterbeschluss sowie eine Satzungsänderung.
Genehmigtes und bedingtes Kapital
Um Kapitalerhöhungen flexibler durchführen zu können, sieht das Gesetz „genehmigtes Kapital“ vor. Der Gesellschaftsvertrag kann die Geschäftsführung ermächtigen, das Stammkapital bis zu einem bestimmten Nennbetrag innerhalb eines definierten Zeitraums zu erhöhen. Genehmigtes Kapital erleichtert und beschleunigt Kapitalmaßnahmen, da keine erneute Gesellschafterversammlung einberufen werden muss; dennoch können Bezugsrechte bestehen und müssen ggf. ausgeschlossen werden.
In der AG gibt es neben dem genehmigten Kapital auch die bedingte Kapitalerhöhung, bei der neue Aktien nur ausgegeben werden, wenn Options- oder Wandlungsrechte ausgeübt werden. Beide Konstruktionen erfordern eine Satzungsregelung und sind zeitlich und betragsmäßig begrenzt.
Ablauf und Voraussetzungen einer Kapitalerhöhung in der GmbH
Eine Kapitalerhöhung ist ein formalisierter Prozess, der mehrere Schritte umfasst:
- Gesellschafterbeschluss: Die Gesellschafterversammlung fasst einen satzungsändernden Beschluss über die Erhöhung des Stammkapitals. Es ist eine qualifizierte Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen erforderlich, sofern die Satzung keine höhere Hürde vorsieht. Der Beschluss muss notariell beurkundet werden.
- Inhalt des Beschlusses: Der Erhöhungsbeschluss legt unter anderem die Höhe der Erhöhung, die Art der Kapitalerhöhung (Bar- oder Sacheinlage), den Ausgabepreis sowie etwaige Agios fest und bestimmt, wem neue Anteile angeboten werde.
- Übernahme der neuen Anteile: Durch einen Übernahmevertrag erklären die Gesellschafter oder neuen Investoren, welche Anteile sie übernehmen. Auch dieser Vertrag bedarf der notariellen Form.
- Leistung der Einlage: Bei Barerhöhungen muss das Kapital eingezahlt werden; mindestens ein Viertel der neuen Einlagen ist sofort zu leisten. Bei Sacheinlagen muss der Gegenstand vollständig eingebracht und bewertet sein.
- Anmeldung und Eintragung: Die Geschäftsführung meldet die Kapitalerhöhung beim Handelsregister an. Erst mit der Eintragung wird die Erhöhung wirksam. Eine aktualisierte Gesellschafterliste muss eingereicht werden.
Der Ablauf für Aktiengesellschaften ist ähnlich, erfordert aber einen Beschluss der Hauptversammlung, einen Emissionsprospekt und die Einhaltung kapitalmarktrechtlicher Vorschriften.
Bezugsrechte, Verwässerung und Minderheitenschutz
Gesellschafter und Aktionäre haben bei effektiven Kapitalerhöhungen grundsätzlich ein gesetzliches Bezugsrecht. Dieses Recht erlaubt es ihnen, neue Anteile im Verhältnis zu ihrer bisherigen Beteiligung zu übernehmen, um eine Verwässerung ihrer Stimm- und Gewinnrechte zu vermeiden. Das Bezugsrecht kann ausgeschlossen werden, wenn hierfür ein sachlicher Grund vorliegt; der Ausschluss muss in der Einladung zur Gesellschafterversammlung klar angekündigt werden. In der Praxis wird ein Bezugsrechtsausschluss häufig bei finanziellen Krisen oder bei der Aufnahme strategischer Investoren genutzt.
Für den Ausschluss des Bezugsrechts ist in der GmbH ein Gesellschafterbeschluss mit 3/4-Mehrheit und notarielle Beurkundung erforderlich. In der AG gelten ähnliche Regeln: Das Bezugsrecht der Aktionäre schützt vor Verwässerung und darf nur unter strengen Voraussetzungen aufgehoben werden.Minderheitsgesellschafter sollten bereits bei der Gesellschaftsgründung Regelungen zum Verwässerungsschutz vereinbaren, da Kapitalerhöhungen häufig zu Streit führen.
Risiken und typische Problemfelder
Kapitalerhöhungen bergen verschiedene Risiken. Die häufigste Streitursache ist der Verwässerungseffekt: Gesellschafter, die nicht an der Kapitalerhöhung teilnehmen können oder dürfen, verlieren Stimm- und Gewinnrechte. Bei Bezugsrechtskapitalerhöhungen mit einem niedrigen Bezugspreis profitieren die Teilnehmenden, während Nicht-Teilnehmende stark verwässert werden.
Bei Sachkapitalerhöhungen besteht das Risiko fehlerhafter Bewertungen. Die Werthaltigkeit der eingebrachten Sache muss gegenüber dem Registergericht belegt werden; andernfalls droht die Ablehnung der Eintragung. Unzulässige verdeckte Sacheinlagen oder sogenannte Hin-und-Her-Zahlungen, bei denen die eingezahlte Bareinlage über ein Gegengeschäft wieder an den Gesellschafter zurückfließt, führen zu Haftungsrisiken für Gesellschafter und Geschäftsführer. Geschäftsführer müssen in der Anmeldung versichern, dass die Einlagen der Gesellschaft tatsächlich zugeflossen sind; falsche Angaben können zu zivilrechtlicher Haftung und sogar strafrechtlichen Folgen führen.
Eine Kapitalerhöhung verursacht zudem Kosten: Neben den Notar- und Registergebühren können Bilanzprüfungen und Beratungskosten erheblich sein.
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